Ladendiebstahl: Technik und Recht
Ladendiebstahl geht jeden an. Der Schaden der entsteht wird von den zahlenden Kunden getragen, in der Regel nicht vom Geschäftsinhaber allein.
Ladendiebstahl ist ein Bereich der Wirtschaftskriminalität und steigt, ähnlich wie die Korruption, ständig. Die eher mageren Zahlen der Kriminalitätsstatistiken drücken nicht die Realität aus. Auf jeden angezeigten Ladendieb kommen wahrscheinlich zwanzig weitere. In Hessen sagt das Landeskriminalamt etwa eine Belastungszahl 1 : 9 zu den angezeigten Straftaten.
Ladendiebstahl ist ein typisches Kontrolldelikt. Heißt: der Täter wird nur durch Kontrolle und Maßnahmen erwischt. Wer heute noch glaubt, ohne technische/personelle Maßnahmen dem Ladendiebstahl entgegenwirken zu können, ist grenzenlos naiv.
Das offenbar rückläufige Anzeigenverhalten der Geschäftsinhaber wird verschiedentlich begründet. Auf Bundesebene ca. 5,1 % zum Vorjahr. Die häufigsten Argumente der Geschädigten sind, dass bei Gericht „eh`nichts dabei herauskommt“ und der Weg zur Polizei und die damit verbundene Zeit für sie unverhältnismäßig hoch seien.
Siehe dazu auch unseren aktuellen Bericht „Kriminalstatistik – Teufelszeug“.
Der jährliche Schaden des Einzelhandels wird verschiedentlich angegeben. Die gesamte Inventurdifferenz in Deutschland (also Ladendiebstahl mit Personal- und Transportdiebstahl) soll sich 2006 auf knapp 3,9 Milliarden €uro belaufen und somit einen Mehrwertsteuerverlust von 400 Millionen €uro bewirkt haben.
Deutschlands Ladendiebe stehen im europäischen Vergleich auf Platz drei (2008) hinter Griechenland und Österreich.
Eine noch interessantere Zahl sind die 29 Milliarden €uro Schaden im europäischen Handel, was für jeden europäischen Haushalt etwa 220 €uro sein sollen ( Quelle: 6. Europäisches Diebstahlsbarometer vom Centre für Retail Research ) .
So schreibt das Sicherheitsmagazin CD in seiner Ausgabe 2/2008 auf Seite 108, dass alleine LIDL-Deutschland eine Inventurdifferenz von 80 Millionen Euro verzeichnet.
Geklaut wird alles und überall. Keine Branche bleibt davon verschont. Die freie Präsentation der Waren erhöht natürlich das Risiko des Diebstahls. Besonders hoch im Kurs sind nach wie vor Bekleidung, Elektronikartikel und Autozubehör, Parfüm und Spirituosen.
Täter: Den größten Teil der Tatverdächtigen stellen, so das Hess. Landeskriminalamt 2007, mit 59,4 % die Erwachsenen und davon 41,8 % Frauen. Mehrfachtäter sind ca.13,7 %.
Kaum jemand wird aus Not zum Ladendieb. Die Praxis zeigt ein anderes Bild vom „unehrlichen Kunden“ als man es erwarten mag. Der „typische“ Ladendieb ist meist gut situiert, vernünftig gekleidet und verfügt über ein selbstsicheres Auftreten. Ladendiebe befinden sich also in „guter“ Gesellschaft.
Technologien: Auf dem Vormarsch sind die elektronische Artikelsicherung ( ELS ) und die Videoüberwachung. Beide Techniken haben unterschiedliche Ziele, haben sich aber seit geraumer Zeit als zuverlässige und brauchbare Sicherungsmittel empfohlen.
Die Sicherungsetiketten werden als sogenannte Quellensicherung (also bei der Herstellung der Ware ) integriert. Eine quellengesicherte Ware ermöglicht eine bessere offene Präsentation, wodurch Käufer mehr zu sogenannten Impulskäufen veranlasst werden sollen, als bei einer weggeschlossenen Ware. Verschlossene Vitrinen halten vom Spontankauf eher ab. Am sogenannten Point of Sale wird die Ware zuverlässig deaktiviert.
Es gibt derzeit folgende Grundtechnologien:
a) Radiofrequenz-Technologie (RF) :Radiofrequentes Feld durch Sende- und Empfangsantennen
b) Akustomagnetische Technologie (AM) : Bestandteile des Etiketts werden in Schwingungen versetzt.
c) Hochfrequenz-Technologie (HF): erzeugt einen Vorhang im Giga-Herz-Bereich, die vom Etikett reflektiert werden.
d) Autoaktive Technologie (A) : die aktiven Etiketten haben einen akustischen Alarmgeber und melden, wenn am Etikett manipuliert wird.
Die sogenannte Leinensicherung ist eine spezielle Art der Warensicherung durch Ruhestrom- und Impuls/Echo-Technologie. Die mit einem Schwachstromkabel verbundenen Waren geben Alarm, wenn der Stromkreis unterbrochen oder der Kontakt entfernt wird.
Bsp.: Kabelschlingen, Klebekontakte, Steckverbindungen, Konfektionsklammern etc.
Festzustellen bleibt, dass derartige Präventionssysteme nicht als Einzelkomponenten bestehen, sondern müssen in einem Warensicherungskonzept Bestandteil sein. Die Quellensicherung ist eine inzwischen gereifte Möglichkeit, dem Ladendiebstahl auf einem hohen Niveau zu begegnen.
Videoüberwachung: Zur Abschreckung und als gerichtlich anerkanntes Beweismittel hat sich die Videotechnik bereits seit langem empfohlen. Die Videoüberwachung ist rechtlich ausdefiniert und sozusagen „auf dem Vormarsch“. Sie sagt mehr aus als tausend Worte.
Hausrecht und Rechte des Personals: Ladendiebe werden ständig aggressiver und schrecken auch nicht vor Gewaltanwendung zurück, sind sie auf frischer Tat ertappt.
Ein Ladeninhaber muss zunächst jedem Kunden freien Zutritt zu seinem Geschäft gewähren, so lange dieser sich in einem üblichen Käuferverhalten bewegt. Dieses Recht verwirkt der Kunde, wenn er Personal beleidigt, beschimpft oder Ware beschmutzt und auch dann, wenn er bei einem Ladendiebstahl erwischt wird.
Daraufhin können der Ladeninhaber oder sein Beauftragter ein Hausverbot aussprechen. Dieses Hausverbot sollte schriftlich konkret verfasst und zeitlich bestimmt sein.
Oft rede ich mit verunsichertem und ängstlichem Personal.
Unsicher deshalb, weil die Rechte völlig unbekannt sind und ängstlich deshalb, weil kaum jemand „gute Erfahrung“ mit Gerichtsverhandlungen hat. Kaum eine/einer, der/die mal als Zeuge/Zeugin vor Gericht gegen einen Straftäter ausgesagt hat würde das ein zweites Mal tun. So jedenfalls bekomme ich es häufig bei meinen Vorträgen und Beratungen gesagt. Schon alleine, dass man sich „wie ausgezogen fühlt“, wenn man vor dem Richtertisch steht und seine vollen Personalien angeben muss, die der Straftäter natürlich mit anhören darf. Ich als Zeugin weiß nicht, wer als Beschuldigter dort sitzt, dieser aber weiß nun wo ich wohne; so das häufigste Argument. Und dann, das nächste Argument, das bedrohliche Verhalten mancher Beschuldigter und seiner Kumpane auf den Gerichtsfluren.
Dann das in Einzelfällen durchaus bedenkliche Verhalten von Anwälten gegenüber Zeugen und Zeuginnen; so das nächste Argument. Und kein Richter schützt uns vor diesen verbalen Angriffen der Anwälte.
Das kann man nun formaljuristisch sehen wie man will. Jedenfalls sind es sehr ernst zu nehmende Ängste und Argumente von Menschen, die zum Teil vorher zu Opfern geworden waren und denen man vorbehaltlos und nachhaltig begegnen muss.
Ob sie nun widerlegbar sind oder nicht. Ob sie nun jemand passen oder nicht.
Opferschutzprogramme nützen nur dann wenn sie beim Menschen ankommen und nicht wenn sie irgendwo niedergeschrieben stehen.
Dem Personal oder dem Gewerbetreibenden sei hier sehr empfohlen, sich bei Verbänden, Juristen oder Polizei kundig zu machen, was sie dürfen und was nicht. Dafür sind Verbände da.
Und natürlich darf man jemand festhalten und der Polizei übergeben, wenn man ihn bei einem Ladendiebstahl auf frischer Tat betroffen hat. Das ist völlig geklärt. Nur bewegt es sich im engen rechtlichen Rahmen und es sei bei dieser Gelegenheit auch auf die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen hingewiesen. Auch hat ein Kaufhausdetektiv keine anderen Rechte als jeder andere Bürger oder Bürgerin.
Es ist sehr zu bezweifeln ob es sich empfiehlt einen Ladendieb festhalten zu wollen, wenn eine Verkäuferin alleine im Laden ist. Da würde ich doch eher empfehlen, den Dieb/die Diebin samt Diebesgut gehen zu lassen und sich eine gute Personenbeschreibung zu merken und zeitnah die Polizei zu verständigen.
In diesem Zusammenhang mache ich auf den § 127, Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) aufmerksam wo es heißt:
Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist er, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.
Mein Rat: Geschäftsinhaber, Personal, Betriebsräte und Gewerkschafter sollten sich diesem ernsten Thema bei jeder sich bietenden Gelegenheit widmen. Nur gut ausdiskutierte und abgearbeitete Themen machen das Personal sicher. Solche Gelegenheiten sind beispielsweise Jahreshauptversammlungen, Personalschulungen oder ganz einfach ein jährlicher Sicherheitstag. Einen Betrieb wird es in der Regel auch nicht an den Rand des finanziellen Ruins bringen, wenn zu solchen Sicherheitstagen eine Fachjuristin oder ein Fachjurist eingeladen wird. Hüten Sie sich vor den „gut gemeinten“ Ratschlägen von Kolleginnen, Kollegen, Detektiven oder Vorgesetzten, wenn es um die Klärung rechtlicher Fragen geht. Gut gemeint heißt nicht zwangsläufig gut gemacht.